Kill la Kill
Kann ein Anime die Schallmauer durchbrechen? Ein Kinderspiel für Kill la Kill, das schon fast zu schnell ist, als es ihm gut tut. Oft betitelt als der Anime, der Anime retten wird, ist es eine unterhaltsame Show, die durchaus Neues mitbringt, aber auch unter einigen Schwächen leidet.
Produktion
Trigger, das zu den jüngsten Animationsstudios gehört, produziert Kill la Kill, was deren erste genuine eigene TV Anime Serie ist. Zuvor hat Trigger nur Assistenzfunktionen bei einigen Animes übernommen, unter anderem bei Neon Genesis Evangelion 3.0 You can (not) Redo, Black Rock Shooter oder Sword Art Online. Gegründet wurde das Studio 2011 von den ehemaligen GAINAX (Neon Genesis Evangelion) Mitarbeitern Hiroyuki Imaishi und Masahiko Otsuka, die beide als Direktor respektive Drehbuchautor für die überaus erfolgreichen Animes Tengen Toppa Gurren Lagann und Panty and Stocking verantwortlich sind. Vor Kill la Kill hatte Trigger nur eine Mini-Serie namens Inferno Cop und den Anime Kurzfilm Little Witch Academia, dessen Kickstarter Kampagne für eine Fortsetzung sagenhafte 625.000 Dollar eingebracht hat, produziert. Es ist offensichtlich, dass Kill la Kill, als erste eigene Anime Serie, enorm wichtig ist für Trigger, denn man will sich damit in der Industrie etablieren und vorstellen, in welche Richtung Trigger gehen wird.
Imaishi ist der Direktor der Serie, das Drehbuch schrieb aber nicht sein Partner Otsuka, welcher hier als Unit Direktor arbeitet, sondern Kazuki Nakashima, der bei Gurren Lagann die Serienkomposition erstellt hat aber ansonsten an keiner namhaften Produktion mitwirken durfte. Das Team hinter Kill la Kill besteht auch sonst aus sehr vielen MitgliederInnen, die schon mit Imaishi bei Gurren Lagann mitgearbeitet haben, was sich im Stil des Animes deutlich niederschlägt.
Synopsis
Auf den Punkt gebracht: Die Story von Kill la Kill ist verrückt. Wobei das eine Untertreibung ist; sie ist komplett wahnsinnig, wortwörtlich von Sinnen oder Sinn-los. Das Setting könnte für einen Anime nicht typischer sein: Eine Oberstufenschule in einer namenlosen Stadt, die Hauptfiguren sind Schülerinnen dieser Schule. Die Stadt in der sie sich befindet ist eigentlich nicht mehr als ein Slum, bevölkert von Familien, deren Kinder nicht die nötige Stärke besitzen, um die Gunst der Führerin der Honnouji Akademie zu erlangen, Lady-Satsuki, die ein strenges, hierarchisches und autoritäres Regime an ihrer Schule führt. Bedingung für sozialen Status ist reine, rohe Stärke. Die Starken werden mit den sogenannten (Son) Goku Uniformen belohnt, die ihren Trägern unvorstellbare Stärke verleihen. Besagte Goku Uniformen sind in drei Klassen unterteilt, ein-, zwei- und drei-Sterne Uniformen, deren Macht exponentiell zur Anzahl der Sterne steigt. Diese nicht ganz idyllische Ordnung wird durch die Newcomerin Ryuko Matoi gestört, einer weiblichen Version des vorlauten Underdog-Shonen Helden. Auf der Suche nach dem Mörder ihres Vaters gelangt sie, als einsame Wanderin, an die Honnouji Akademie und hat Grund zur Annahme, dass die despotische Satsuki für den Tod ihres Vaters verantwortlich ist. Doch bevor sie sich ihr stellen kann, muss Ryuko zuerst Stärke erlangen. Also macht sie sich auf gegen alle Clubpräsidenten anzutreten, die ihrerseits Besitzer einer Goku Uniform mit zwei Sternen sind. Sind diese erst Mal überwunden, warten die vier „Grossen“ des Schülerrates, die alle 3-Sterne Kleidung tragen. Erst dann kann sich Ryuko ihrer Erzfeindin stellen und ihren Vater rächen.
Schnell merkt sie, dass es nicht einfach ist gegen Goku Träger zu gewinnen und prompt verliert sie ihren ersten Kampf gegen einen Zwerg, der sich verändernde Mecha-Boxhandschuhe trägt, die ziemlich wehtun und sicher nicht den Richtlinien der World Series entsprechen. Also bekommt unser weiblicher Schulhofrowdy Unterstützung einer Sailor Uniform, dem Kamui Senketsu, der noch viel mächtiger ist als eine 3-Sterne Goku Uniform. Zuerst muss sie lernen mit Senketsu umzugehen, der seinerseits ein Bewusstsein hat und mit ihr kommuniziert. So beginnt Ryukos wahnsinniges Abenteuer, das völlig „over the top“ und „crazy“ ist.
Story
Satsukis soziale Ordnung ist erstaunlich intelligent dargestellt. Man kann Honnouji`s Gesellschaft in vier Klassen unterteilen: Die unterste Schicht besteht aus den 0-Sterne Schülern und deren Familien. Sie sind es nicht wert eine Goku Uniform zu tragen und haben keinen Platz in Satsukis Ordnung, da sie zu schwach sind. Als nächstes kommt das Kollektiv der 1-Stern Träger, die das Fussvolk der Schule bilden. Es fällt auf, dass alle 1-Stern Schüler gleich aussehen und den Eindruck erwecken, sie seien Klone. Erst die Clubpräsidenten, also 2-Stern Träger, haben das Recht auf Individualität und werden entsprechend gezeichnet. Sie sind die Unteroffiziere von Satsuki und helfen ihr das System zu leiten. Die privilegiertesten der Honnouji Schule sind die grossen vier, also Satsukis Offiziere und 3-Sterne Träger, die auch am meisten Charakterentwicklung und Tiefe bekommen, abgesehen von den Protagonistinnen und den Ausnahmen, auf die ich gleich eingehe. Zuoberst auf dieser Pyramide, symbolisch dargestellt mit der Treppe bzw. dem Schulgebäude (man beachte die autoritäre Architektur), auf dem Satsuki thront, steht die Führerin und unangefochtene Herrscherin des Systems.
Es gibt eigentlich nur zwei Ausnahmen in dieser, mehr totalitären als autoritären Gesellschaft, und das sind Ryuko, ihre Freundin Mako, deren Familie und die beiden Mitglieder der Rebellengruppe „Nudisten Strand“. Dies sind die einzigen Figuren, die ebenfalls als Individuen dargestellt werden und ausserhalb von Satsukis Ordnung stehen.
Das Grundskelett von Kill la Kill klingt stark nach einem typischen Shonen-Abenteuer. Ryuko ist ein weiblicher Shonen-Protagonist und muss das übliche Shonen-Prozedere durchmachen. Sie stellt sich übermächtigen Gegnern, wird besiegt, erlangt selber neue Stärke, stellt sich noch stärkeren Gegnern, wird wieder besiegt, wird deshalb noch stärker usw., bis sie ihr Endziel in einem spektakulärem Showdown erreicht. Diese Analyse ist durchaus richtig, erwähnt aber nicht die völlig verrückte Inszenierung dieses typischen Plots. Die Macher von Kill la Kill wählen bewusst ein typisches Shonen Setting mit typischen Shonen Figuren, nur damit sie dieses total überdrehen und zum Teil auch parodieren, so dass etwas völlig neues, in Anime (fast) noch nie dagewesenes entsteht: Kill la Kill (Ausnahme: Gurren Lagann). Direktor Hioryuki Imaishi zeigt keine Gnade und greift alle Absurditäten von Anime auf, überdreht sie dermassen spektakulär und macht nicht einmal vor Ecchi halt. Es ist kein Zufall, dass Ryuko eine Sailor Uniform trägt, deren Macht erst durch eine Verwandlungsszene freigesetzt wird. Man fühlt sich zwangsläufig an die Verwandlungsszenen von Sailor Moon erinnert, die gerade jüngere, männliche Teenager damals mit Interesse bestaunt haben. Ja, auch in Kill la Kill ist Ryuko nackt bei der Verwandlung, doch diese wird so pervers und übertrieben inszeniert, dass von Sailor Moons süsser Unschuld nichts mehr übrig ist. Nach der Verwandlung sieht unsere Heldin wie eine billige Stripperin aus, die ihr Geld in einem verkommenen Stripschuppen verdient. Es erinnert nichts mehr an die 14/15 Jährige Schülerin Ryuko. Der Ecchi Gehalt in Kill la Kill ist enorm hoch, aber so übertrieben in Szene gesetzt, dass es klar wird, dass auch er ein Augenzwinkern an die Animebranche als solches ist.
Die völlig übertriebenen Kämpfe, die auf eine absurde Art ein episches Ausmass erreichen, aber auf jegliche Realität pfeifen, sind eine weitere Parodie von Shonen-Animes. Man könnte hier noch unendlich viele Beispiele nennen, doch bei Kill la Kill macht es durchaus Spass diese Parodien und „Easter Eggs“ selber zu finden.
Hier liegt aber auch meine grösste Kritik an Kill la Kill. Wenn man nämlich alle Absurditäten eines Genres, oder von Anime im Allgemeinen, nimmt und diese dermassen überdreht, wird man selber nur noch absurder. Ja das Ecchi in der Show kann man durchaus als Parodie sehen, doch wirft uns Kill la Kill so oft Brüste und Hinterteile entgegen, dass der männliche Körper mit der Zeit eine Immunität dagegen entwickelt. Am Ende ist es nur noch störend und wird so oft verwendet, dass es den Zuschauer eher nervt, als einen Lachkrampf zu provozieren. Erzählt man denselben Joke gefühlte 50 Mal hintereinander, ist er irgendwann auch nicht mehr witzig. Wenigstens ist Imaishi erfrischend konsequent und denkt sich, wenn wir schon weibliche Geschlechtsteile glorifizieren, dann sollten wir, der „political correctness“ wegen, dies auch mit den männlichen Genitalien tun, weshalb er die Untergrund Rebellengruppe „Nudisten Strand“ (Nudist Beach) einführt, die nicht viel für Kleider übrig hat. Trigger und Imaishi haben schon in früheren Arbeiten bewiesen, dass sie auf Brüste stehen, selbst in Gurren Lagann (damals noch bei Gainax) oder Panty and Stocking. In Kill la Kill wollten sie diesen Fetisch als Parodie maskieren, was aber überhaupt nicht gelungen ist.
geschmackloses Ecchi in extremis!
Trotzdem hat Nacktheit bei Kill la Kill einen höheren Sinn, der sich einem erst gegen Schluss eröffnet, denn Nacktheit ist das Gegenteil von Kleidung, was ein wichtiges symbolisches Motiv ist. Tsumugu Kinagase, ein Mitglied von „Nudisten Strand“, hat einen geradezu lächerlich anmutenden Hass gegen Kleider und will Ryukos Kamui vernichten. Dies wirkt zunächst dermassen komisch, dass wir Kinagase als kranken Nudisten abstempeln und in ihm einen missratenen Witz seitens der Produzenten sehen. Doch damit wird man ihm nicht gerecht, denn im Verlauf der Show wird deutlich, dass seine Abneigung gegenüber Kleider nicht aus einem perversen Trieb herrührt, sondern durchaus nachvollziehbar ist.
Gerade die erste Hälfte von Kill la Kill hat mich mit ihren repetitiven, an das Shonen Genre angelegten Episoden, nicht begeistern können. Ja, die Folgen an sich waren so überdreht und spektakulär, dass mir niemals langweilig wurde, aber es fehlte eine Story, die mein Interesse wecken konnte. Die Story der ersten Hälfte der Show (Ryuko will ihren Vater rächen) ist eigentlich nur ein Vorwand, um überdrehte Action zu inszenieren. Zudem gefiel mir der Humor von Kill la Kill überhaupt nicht. Ich musste nur selten lachen, was bei einer solchen Show ein Killerargument ist. Allerdings ist Humor eine persönliche Angelegenheit und schwer zu bewerten, denn es gibt durchaus viele Menschen, die sich am liebsten ins Krankenhaus einliefern möchten, wegen akuten, durch Lachkrämpfe verursachten Magenschmerzen.
Zum Glück wird die Show in der zweiten Hälfte stärker und zeigt, dass die Autoren doch einen Plan hatten. Denn auf einmal macht das ganze Gerede um kraftverleihende Kleider, Lebensfäden und die immer wieder aufgegriffene Kleidersymbolik gepaart mit Nacktheit einen Sinn; Eine Story entsteht. Diese ist, wie nicht anders zu erwarten war, so lächerlich, dass sie wiederum völlig genial wirkt. Kleider kommen ursprünglich aus dem Weltall und sind parasitäre Lebewesen (Lebensfäden), die ihre Träger unterwerfen wollen. Um diese Prämisse herum wird plötzlich eine spannende Geschichte konstruiert, die zwar absurd ist, aber den Zuschauer durchaus bei der Stange halten kann. Dabei werden Plotwendungen eingesetzt, die wiederum absurd, aber doch überraschend sind. Am Ende läuft alles auf eine epische Klimax hin, die es in sich hat: Ryuko verwandelt sich sogar in einen Super- Ecchi-Saiyajin und vermöbelt die ausserirdischen Kleider nach allen Regeln der Kunst. Da kann selbst ich nicht verleugnen, dass dies irgendwie „Awesome“ wirkt. Das Ende ist sogar befriedigend und hat mindestens eine grössere Überraschung parat.
Allerdings demonstriert Kill la Kill hier, dass es eine Show ist, die auf zwei verschiedenen Ebenen funktioniert. Die erste, faktische Ebene präsentiert eine völlig überdrehte, lächerliche Story, die von Menschen und Kleidern handelt und mehr wie ein Vorwand wirkt, um Action und Ecchi zu zeigen. Betrachtet man die Serie auf der zweiten Ebene, erkennt man durchaus eine in sich stimmige und vor allem logische Story, die von der Prämisse her durchaus seltsam ist, aber von den Konsequenzen her Sinn ergibt. Ein Beispiel: Eins plus Eins ergibt zwei. Doch angenommen ich entschliesse mich dazu, dass Eins plus Eins drei ergäbe, wäre dies eine seltsame Prämisse, doch die Mathematik, die ich um sie herum konstruiere, könnte durchaus Sinn ergeben, ich müsste nur ein neues Regelsystem hierfür konzipieren. So ähnlich funktioniert auch Kill la Kill. Zudem hat die Serie auch eine metaphorische Ebene, der man Aussagekraft zusprechen könnte. Wie lässt sich Kill la Kill interpretieren? Nun, Kleider spielen in unserem Leben eine wichtige Rolle, wie auch im Anime. Ryuko und Senketsu reflektieren immer wieder die Frage, ob eine symbiotische Co-Existenz zwischen Menschen und den eigentlich parasitären Kleidern (Lebensfäden), welche die Menschheit unterwerfen und kontrollieren möchten, möglich ist. Also könnte man spekulieren, ob Kill la Kill hier nicht ein reales Problem aufgreift, nämlich die alte Frage, die schon Gottfried Keller in seiner Erzählung „Kleider machen Leute“ behandelt. Lassen wir uns von Kleidern kontrollieren und tragen das, was von der Gesellschaft erwartet wird. Repräsentieren unsere Kleider also ein falsches Bild von uns als Individuum, oder benutzen wir die Kleider, um uns und unsere Persönlichkeit auszudrücken, unabhängig davon, was von unserem sozialen Status erwartet wird? Wem das zu weit hergeholt erscheint, möge doch über die Frage reflektieren, warum ein Mann in jedem Fall als seltsam, unnormal oder sogar homosexuell abgestempelt würde, wenn er mit einem Minirock bekleidet durch ein Einkaufsviertel spazieren würde. Genau, an der ganzen Sache ist mehr dran, als es zu sein scheint, wie bei Kill la Kill. Doch es hört nicht bei dieser Doppeldeutigkeit auf, denn Imaishi und sein Team haben hier eine wahrlich mehrschichtige Geschichte kreiert, die einem deutlichen roten Faden folgt (der Wortwitz wird gleich ersichtlich!). Wer die Show ganz genau betrachtet und auseinander nimmt, merkt, dass die Story sehr viele substantielle Themen behandelt, indem sie eine intelligente Metaphorik und Symbolik verwendet. Die Story dreht sich schliesslich nicht nur um Kleider, sondern um die ausserirdischen (Lebens)Fäden. Drei Frauen stehen mit diesen Fäden in direktem Zusammenhang: Ragyo, Nui und Ryuko. Ragyo ist diejenige, welche die Lebensfäden kontrolliert und durch ihren Zugang zur Quelle (aus Spoilergründen nicht näher benannt) erzeugt. Nui verarbeitet diese Fäden zu Kleidern, ist also die Weberin und Ryuko macht diese Lebensfäden kaputt, indem sie diese mit ihrer Schere zertrennt. Die Symbolik könnte deutlicher kaum sein und spielt auf die drei Schicksalsgöttinen der griechischen Mythologie an: Clotho, die Spinnerin des Schicksalsfadens, Lachesis, die Weberin und Atropos, welche die Fäden mit einer Schere durchtrennt, also das Schicksal der Menschen besiegelt. Auch hier mag man vielleicht Zweifel hegen und vermuten diese Analogie sei rein zufällig, aber das ist sie nicht. Ich möchte die Leserin und den Leser dazu auffordern lediglich das erste Opening von Kill la Kill etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Nach den ersten Sekunden der Eröffnung wird Ryuko als Charakteraufnahme gezeigt, die von einem roten Faden umgeben ist (ich möchte nochmals auf meinen vorherigen, überaus klugen Wortwitz verweisen!). Nach einigen Standbildern von Ryuko wird Gamagori eingeblendet, ebenfalls von demselben Lebensfaden umgeben. Ihm folgen die restlichen der „Grossen Vier“, Mako mit ihrer Familie, die beiden Figuren aus „Nudisten Strand“ und zu Letzt Satsuki, immer noch vom selben Faden umschlungen, wie die vorangehenden Charaktere. Spätestens hier ist die Symbolik unverkennbar: Alle Charaktere sind durch den Schicksalsfaden miteinander verbunden.
Satsuki umgeben vom Schicksalsfaden - erstes Opening
Es erstaunt mich immer wieder auf wie viele Themen Kill la Kill anspielt und dazu noch auf eine clevere Art. Wer denkt dies sei eine Show, die nichts für das Gehirn des Zuschauers zu bieten hat, irrt ungemein. Man kann es sich viel mehr selber aussuchen auf welcher Ebene man den Anime betrachten möchte und sich lieber von der brillanten Action unterhalten lassen oder dann doch versuchen Kill la Kill zu verstehen. Ich selber bin mir mehr als bewusst, dass ich bei weitem nicht alle Anspielungen erkannt habe und bin auch nicht in diesem Review auf die ganze thematische Breite der Show eingegangen. Eins weiss ich aber ganz genau: Ich werde mir Kill la Kill noch einmal anschauen und versuchen mehr von der Story zu fassen. Stoff hierfür bietet sie allemal.
Charaktere
Die spannendsten Charaktere bei Kill la Kill sind dessen Bösewichte. In Tengen Toppa Gurren Lagann demonstriert Imaishi seinen Hang Bösewichte zu kreieren, die eine nachvollziehbare Motivation haben, teilweise sogar sympathisch sind. Wenn man sich diese wichtige Information merkt und die Serie damit im Hinterkopf anschaut, erlebt man sie auf eine ganz andere Art und Weise.
Gamagori, einer der grossen vier und der erste Bösewicht, den wir zu Gesicht bekommen, ist beispielsweise ein Mensch, der nur „böse“ Dinge tut, weil er sich an die Regeln hält, diese durchsetzt und an die Notwenigkeit des Systems glaubt, was per se nicht schlecht ist, denn die meisten Menschen halten sich an Gesetze und glauben an das System, in dem sie leben, ohne es kritisch zu hinterfragen. Doch Gamagori als Charakter ist tatsächlich tiefgründig, denn wir sehen in Folge 8 eine unerwartete Seite an ihm. Es wird klar, dass er vorurteilsfrei auch bereit ist alle Menschen, die in der Ordnung der Honnouji Akademie stehen, zu verteidigen, selbst wenn diese einen Hang dazu haben, die Regeln zu brechen. Schnell wird klar, dass auch Gamagori Gründe für sein Handeln und seine Besessenheit von Ordnung und Disziplin hat, was sich später auch als nachvollziehbar und sogar sympathisch erweist.
Satsukis rechte Hand, Sanageyama, wirkt zunächst überheblich und fordert Ryuko zu einem Kampf heraus. Doch nach seiner Niederlage erscheint er als ein erstaunlicher Charakter, denn anstatt seine Niederlage in Frage zu stellen oder in Selbstzweifel zu versinken, wirft er seinen Stolz weg und neutralisiert seine grösste Stärke, seine Augen, mit dem Hintergedanken dadurch zu wachsen und aus seiner Niederlage zu lernen. Seine Unterwürfigkeit gegenüber Satsuki hat ebenfalls tiefere Ursachen, als man zunächst annimmt, die mit der Zeit aufgeklärt werden.
Satsuki selber ist eine erstaunliche Persönlichkeit, die als despotische, fast schon faschistische (der erste Satz der Serie widmet sich Hitler) Führerin dargestellt wird, doch an ihr ist mehr dran, als auf den ersten Blick scheint. Es wirkt fast so, als ob sie zwei Gesichter hätte. Das eine sehen wir bei ihren öffentlichen Auftritten, an denen sie sich als harte, erbarmungslose und entschlossene Anführerin präsentiert. Das andere kommt in ihren privaten Momenten zum Vorschein. Gerade in den Szenen mit ihrem Butler, Mitsuzo Soroi, zeigt sie sich von ihrer gefühlvollen, sogar verletzlichen Seite. Wir lernen dort eine andere Satsuki kennen und fragen uns zwangsläufig, welches dieser beiden Gesichter die Maske ist. Wir fangen an ihre Motive zu hinterfragen und werden dieses leise Gefühl nicht los, dass sie einen Plan verfolgt, der etwas anderes als die Weltherrschaft beinhaltet.
Die Antithese zu Satsuki ist die wilde, chaotische und völlig undisziplinierte Ryuko, die öfters den Spruch bringt „sinnlos ist genau mein Ding“. Sie ist die Wildcard an der Honnouji Schule und bringt Satsukis Ordnung ganz schön durcheinander in ihrem Streben nach Rache. Sie macht zwar nicht eine grosse Wandlung durch, am Ende ist sie noch immer das hitzköpfige, vorlaute Mädchen, das für einen guten Spruch zu haben ist, sie bildet aber die grosse Konstante der Show. Während sich alle anderen Charaktere zu einem gewissen Grad wandeln, bleibt sie sich weitgehend treu und hat auch kein Problem mit ihrer eigenen Widersprüchlichkeit. Das soll nicht heissen, dass sie von den Ereignissen um sich herum nicht berührt wird, im Gegenteil, sie wird an einer Stelle bis an den Rand der Verzweiflung getrieben, aber sie wächst als Persönlichkeit nicht in dem Masse, wie Satsuki oder Gamagori es tun.
Alle Haupt und Nebencharaktere von Kill la Kill haben es geschafft mich zu überraschen. Als ich sie zum ersten Mal gesehen habe, läuteten alle Stereotypen-Alarmglocken und ich war geneigt sie als solche abzustempeln, doch wie ich falsch lag! Kill la Kill ist eine Show, die mit unseren Vorurteilen spielt und sie bewusst lenkt, bis wir unseren eigenen Fehler entdecken und uns sprachlos über sie wundern.
Es freut mich zu sehen, dass die beiden Protagonistinnen der Show weibliche Figuren sind, die zwar sexuell aufgeladen werden, aber darüber hinaus eine Persönlichkeit besitzen, die mich fasziniert hat. Sowohl Satsuki, als auch Ryuko (und vielleicht sogar Moko) gehören zu den besten, sympathischsten und interessantesten weiblichen Animecharakteren, die es gibt, was auch erklärt warum Kill la Kill ein riesiges weibliches Fandom besitzt, obwohl es den weiblichen Körper enorm sexualisiert.
Animation
Was als erstes Auffällt bei Kill la Kill ist dessen besonderer Zeichenstil und das unvergleichliche Art Design. Kill la Kill sieht nicht wunderschön aus, es hat keine realistischen Landschaftsbilder mit prächtigen Farben, die Charakterzeichnungen sind nicht „schön“ ausgefallen, wie sie es beispielsweise bei einem Studio wie Kyoto Animations sind. Nein, Studio Trigger hat einen eigenen Stil, der sich durch chaotische, bewegungsdominante und intensive Animation auszeichnet. Allerdings versucht man bei Kill la Kill zu sehr an den Stil von Tengen Toppa Gurren Lagann anzuknüpfen, was dem originellen Anspruch der Show widerspricht. Kill la Kill ist Triggers erster, genuin eigener Anime und man wollte damit eine Botschaft an die Animewelt senden, die aussagt, dass Trigger sich nicht um Konventionen schert, mutig und originell ist. Diese Botschaft wäre besser angekommen, wenn man auch einen genuin eigenen Stil gewählt hätte, aber die Ähnlichkeit zu Gurren Lagann lässt sich nicht einfach damit erklären, dass bei beiden Shows dasselbe Personal mitgewirkt hat. Kill la Kill versucht aktiv und bewusst so auszusehen, wie Gurren Lagann, die Ähnlichkeiten sind kein Zufall.
Auf der anderen Seite ist Imaishis Szenerie besonders gut ausgefallen. Die Hintergrundbilder sind oft enorm überladen und halten sogar einige komikhaften Überraschungen Bereit.
Die angesprochene Intensität der Animation lässt sich zudem auf die Schnittart der Show zurückführen. In den Actionszenen aber auch bei den Comedyeinlagen finden wir sehr kurze Szenen vor, die manchmal kaum eine Sekunde dauern und schon von einem komplett anderen Bild abgelöst werden. Dies verleiht der Serie eine Hyperaktivität, die ebenfalls Geschmackssache ist.
Das Charakterdesign überzeugt auf voller Linie und ist erstaunlich abwechslungsreich. Gerade bei Ryuko variiert der Designstil, je nach Szene. In den Actionszenen wird durch Haartracht (auch Haaranimation) und Augenzeichnung eine Entschlossenheit und wilde „Awesomeness“ erzeugt, die Ihresgleichen sucht. Dann sieht Ryuko in den emotionalen Momenten ganz anderes, verletzlich, aber auch süss aus. Denselben durch Variation geprägten Charakterdesign Stil beobachtet man auch bei den Gesichtszeichnungen von Satsuki oder Gamagori.
Böser Blick mit Blush und Shojo Augen - Variables Charakterdesign
Die Animationsqualität der Serie ist sehr hoch, glänzt aber ausschliesslich in den Action Szenen, die rasant, flüssig aber auch speziell animiert sind. Speziell ausgefallen sind sie, weil hier Trigger eine ungewöhnliche Art von 3D CGI Animation verwendet. Typischerweise werden die sich bewegenden Figuren (Charaktere, Mechas, Raumschiffe) in 3D animiert, bei Kill la Kill zeichnet man diese aber digital, animiert die Hintergründe in 3D, was es den Animatoren erlaubt, sich völlig auf die Bewegungen der kämpfenden Figuren zu konzentrieren, ohne den Hintergrund mitanimieren zu müssen, oder ihn gar als statische, sich wiederholende Animation zu verwenden. Trotzdem gibt es auch reichlich Beispiele von Charakter CGI Animation, die aber kaum hervorstich und sich nahtlos in die Szenerie einfügt.
3D CGI Hintergrund Animation
Den einzigen, sehr leichten, Dämpfer stellt man bei den ruhigen Szenen fest, die durch Gesichtsanimationen und Gestikulation geprägt sind. Warum ist dies qualitativ minderwertig? Nun wenn in Animes ein sprechender Charakter gezeigt wird, sieht man typischerweise eine Nahaufnahme des Gesichts, oder einen grösseren Ausschnitt der Figur vor einem statischen, also nicht animierten, Hintergrund, wo alleine der Mund animiert wird. Ansonsten gibt es kaum Bewegung. Dies wird vor allem gemacht, um Zeit und Geld zu sparen, denn je mehr man bewegt, also animiert, desto mehr Zeit braucht man für eine Szene und desto mehr kostet diese letztlich. Da dies aber 99% aller Animes genau so macht, ist dies eine Kritik auf sehr hohem Niveau. In jedem Fall hat Trigger hier ein bedingungsloses Kompliment für die Animationsqualität und den Zeichenstil verdient. Das stark an Tengen Toppa Gurenn Lagann angelehnte Artdesign hat mir, wie schon erwähnt, nicht gefallen.
Sound
Der Soundtrack von Kill la Kill ist eigentlich gut. Er untermalt die Actionszenen gut, hat sogar melodische Themes, wenn es mal gefühlvoller zur Sache geht und beide Openings sind schöne Songs. Man könnte natürlich sagen, dass er als Komposition nicht gross heraussticht und es ihm etwas an Breite fehlt, aber dies ist nicht das wahre Problem, womit der OST zu kämpfen hat. Auf den Punkt gebracht: Er kann nicht mit der verrückten Animation mithalten. Die ganze Show ist so „over the top“ und „crazy“, was auch für die Visualisierung gilt, dass der Soundtrack dagegen ziemlich gewöhnlich und unspektakulär wirkt. Es gibt keine einzige Szene, bei der die Musik einen komischen oder gar überraschenden Effekt (beispielsweise Ironie oder Sarkasmus) herbeiführt. Da verlässt man sich einzig auf das Drehbuch und die Animation. Dies wiegt zwar nicht gravierend, muss aber negativ gewertet werden, da es dem Stil der Serie zuwider läuft.
Fazit 4/5
Egal was man von der Story, den Charakteren oder dem Animationsstil hält, Kill la Kill ist ein Erlebnis. Es kann witzig, absurd, aber auch gefühlvoll sein, dann wieder nervt es mit seinem Ecchi oder ist einfach seltsam, weil der eine oder andere Joke nicht gelingt (Makos Vater und Bruder werden von Ryuko immer wieder als Spanner enttarnt und anschliessend vermöbelt, was ein ziemlich lahmer Gag ist, den ich in so vielen anderen Shows schon gesehen habe).
Die Show fängt wie ein Tornado an und die verrückte Aktion reisst fast jeden Zuschauer mit. Wer Aktion nicht mag, der schaut sich diesen Anime gar nicht erst an. Ob man die erste Hälfte der Show mag, kommt ganz drauf an, wie sehr man von Aktion alleine bei der Stange gehalten werden kann und ob man sich auf den Humor einlassen kann. Gerade letzteres war bei mir immer wieder ein grosses Problem. Kill la Kills Humor besteht aus der Strategie absurde Anime-Elemente, wie Ecchi, Verwandlungsszenen aus dem Magical Girl Genre etc., zu nehmen und diese noch absurder zu verdrehen, um Komik zu erzeugen. Dieses Konzept geht ultimativ nicht auf, denn zum einen wird Kill la Kill dadurch nur selber absurd, zum anderen will es kein reiner Comedy Anime sein, wodurch es notwendig wird, dass auch die Story Substanz bekommt. Allerdings kommt dieser dringend benötigte Gehalt erst in der zweiten Hälfte auf. Ab da wird die Show auch durchgehend besser und mündet in einem spektakulären Ende. Dabei zeigt sich der Plot von einer überraschend tiefgründigen Seite, denn Kill la Kill funktioniert auf mehreren Ebenen. Wenn man nur die erste Ebene betrachtet, erlebt man nur rasante Aktion, absurdes Geplapper über die Beziehung zwischen Kleider und Menschen und ganz viel störende und übertriebene Nacktheit. Erst mit der nächsten Ebene wird klar, dass der Anime mehr ist als das, denn die Story folgt einer inneren Logik, die funktioniert und lässt sich sogar als eine Metapher über die menschliche Oberflächlichkeit verstehen. Erst vor diesem Hintergrund macht die aufgegriffene Nacktheit auch Sinn, trotzdem kann damit das Ecchi nicht entschuldigt werden. Es macht schlicht weg keinen Spass über 24 Folgen lang die ganze Zeit nackte Hinterteile und Brüste entgegengeworfen zu bekommen. Dies ist auch nicht die Funktion eines Animes, denn wenn man sich Befriedigung für gewisse Gelüste verschaffen möchte, gibt es sinnvollere Alternativen.
Die Charakterentwicklung vermochte ebenfalls mich zu verblüffen. Auch wenn die Figuren auf den ersten Blick wie typische Shonen Charaktere aussehen, haben sie eine unerwartete Tiefe an sich, die von der Show erforscht und dargestellt wird. Gerade die Bösewichte sind faszinierende Gestalten und es macht sehr viel Spass darüber nachzudenken, was ihre Handlungsmotive sind. Die Show nimmt sich auch genug Zeit, um alle Charaktere und Nebencharaktere zu porträtieren und verleiht ihnen nicht zuletzt dadurch die nötige Komplexität.
Letztlich muss ich zugeben, dass Kill la Kill eine der Shows ist, die ich in einem Review besser bewerte, als ich sie persönlich empfunden habe. Persönlicher Geschmack darf bei einer objektiven Bewertung nicht zu viel Einfluss gewinnen und Trigger liefert uns einen verdammt guten Anime. Ist es tatsächlich der Anime, der Anime retten wird, wie in der Community oft gesagt wurde und was die festgefahrene Situation der Animeindustrie deutlich beschreibt und die Hoffnung auf neue, innovative Shows zum Ausdruck bringt? Nein. Dafür geht das Konzept nicht auf. Ja, Kill la Kill ist eine Show, die etwas völlig eigenes ist und nichts vergleichbares hat, ausser Tengen Toppa Gurren Lagann, setzt sich aber aus den üblichen Bausteinen von typischen Animes zusammen. Das wirklich originelle ist nur, wie sich die Show über diese Bausteine und somit über die ganze Branche lustig macht. Trigger wollte aber vor allem eines mit dieser Show machen: Sich mit einem Kracher ankündigen und „nach uns die Sintflut“ raus posaunen. Das ist hingegen gelungen. Trigger wird mit Sicherheit eine dringend benötigte Dynamik in die Animeindustrie bringen, die in den letzten Jahren nur dieselben Sujet immer neu wiederkaut und sich somit selber festgefahren hat. Kill la Kill zeigt einen Weg, wie man sich daraus befreien kann und dass die Zuschauerinnen und Zuschauer auch einen Richtungswechsel in der Branche wollen. Hoffentlich lassen sich andere Studios von Kill la Kills Innovation und dessen Mut inspirieren und erkennen, dass Kreativität etwas ist, was konstantes experimentieren bedarf und nur funktioniert, wenn man es wagt mit dem Bekannten und Bewährten zu brechen.
Kill la Kill richtet sich an ältere Teens und aufwärts. Kinder werden den Humor nicht verstehen und der Ecchi Gehalt macht die Show für diese ungeeignet. Gewalt ist zudem im grossen Stil vorhanden. Das Zielpublikum der Show besteht aus Actionliebhabern, die sich nicht an Ecchi stören und verrückten, extrem übertriebenen Humor zu schätzen wissen. Aber auch ZuschauerInnen, die einen tiefgründigen Plot und gute Charakterentwicklung sehen wollen, werden nicht enttäuscht, wenn sie sich auf die Show einlassen und über die Schwächen der ersten Hälfte hinweg sehen können.
Was denkt ihr über Kill la Kill? Top oder Flop?
Habt ihr andere Anspielungen, Themen oder Interpretationsansätze gefunden, die im Review nicht behandelt werden?
Kann ein Anime die Schallmauer durchbrechen? Ein Kinderspiel für Kill la Kill, das schon fast zu schnell ist, als es ihm gut tut. Oft betitelt als der Anime, der Anime retten wird, ist es eine unterhaltsame Show, die durchaus Neues mitbringt, aber auch unter einigen Schwächen leidet.

Produktion
Trigger, das zu den jüngsten Animationsstudios gehört, produziert Kill la Kill, was deren erste genuine eigene TV Anime Serie ist. Zuvor hat Trigger nur Assistenzfunktionen bei einigen Animes übernommen, unter anderem bei Neon Genesis Evangelion 3.0 You can (not) Redo, Black Rock Shooter oder Sword Art Online. Gegründet wurde das Studio 2011 von den ehemaligen GAINAX (Neon Genesis Evangelion) Mitarbeitern Hiroyuki Imaishi und Masahiko Otsuka, die beide als Direktor respektive Drehbuchautor für die überaus erfolgreichen Animes Tengen Toppa Gurren Lagann und Panty and Stocking verantwortlich sind. Vor Kill la Kill hatte Trigger nur eine Mini-Serie namens Inferno Cop und den Anime Kurzfilm Little Witch Academia, dessen Kickstarter Kampagne für eine Fortsetzung sagenhafte 625.000 Dollar eingebracht hat, produziert. Es ist offensichtlich, dass Kill la Kill, als erste eigene Anime Serie, enorm wichtig ist für Trigger, denn man will sich damit in der Industrie etablieren und vorstellen, in welche Richtung Trigger gehen wird.
Imaishi ist der Direktor der Serie, das Drehbuch schrieb aber nicht sein Partner Otsuka, welcher hier als Unit Direktor arbeitet, sondern Kazuki Nakashima, der bei Gurren Lagann die Serienkomposition erstellt hat aber ansonsten an keiner namhaften Produktion mitwirken durfte. Das Team hinter Kill la Kill besteht auch sonst aus sehr vielen MitgliederInnen, die schon mit Imaishi bei Gurren Lagann mitgearbeitet haben, was sich im Stil des Animes deutlich niederschlägt.
Synopsis

Auf den Punkt gebracht: Die Story von Kill la Kill ist verrückt. Wobei das eine Untertreibung ist; sie ist komplett wahnsinnig, wortwörtlich von Sinnen oder Sinn-los. Das Setting könnte für einen Anime nicht typischer sein: Eine Oberstufenschule in einer namenlosen Stadt, die Hauptfiguren sind Schülerinnen dieser Schule. Die Stadt in der sie sich befindet ist eigentlich nicht mehr als ein Slum, bevölkert von Familien, deren Kinder nicht die nötige Stärke besitzen, um die Gunst der Führerin der Honnouji Akademie zu erlangen, Lady-Satsuki, die ein strenges, hierarchisches und autoritäres Regime an ihrer Schule führt. Bedingung für sozialen Status ist reine, rohe Stärke. Die Starken werden mit den sogenannten (Son) Goku Uniformen belohnt, die ihren Trägern unvorstellbare Stärke verleihen. Besagte Goku Uniformen sind in drei Klassen unterteilt, ein-, zwei- und drei-Sterne Uniformen, deren Macht exponentiell zur Anzahl der Sterne steigt. Diese nicht ganz idyllische Ordnung wird durch die Newcomerin Ryuko Matoi gestört, einer weiblichen Version des vorlauten Underdog-Shonen Helden. Auf der Suche nach dem Mörder ihres Vaters gelangt sie, als einsame Wanderin, an die Honnouji Akademie und hat Grund zur Annahme, dass die despotische Satsuki für den Tod ihres Vaters verantwortlich ist. Doch bevor sie sich ihr stellen kann, muss Ryuko zuerst Stärke erlangen. Also macht sie sich auf gegen alle Clubpräsidenten anzutreten, die ihrerseits Besitzer einer Goku Uniform mit zwei Sternen sind. Sind diese erst Mal überwunden, warten die vier „Grossen“ des Schülerrates, die alle 3-Sterne Kleidung tragen. Erst dann kann sich Ryuko ihrer Erzfeindin stellen und ihren Vater rächen.
Schnell merkt sie, dass es nicht einfach ist gegen Goku Träger zu gewinnen und prompt verliert sie ihren ersten Kampf gegen einen Zwerg, der sich verändernde Mecha-Boxhandschuhe trägt, die ziemlich wehtun und sicher nicht den Richtlinien der World Series entsprechen. Also bekommt unser weiblicher Schulhofrowdy Unterstützung einer Sailor Uniform, dem Kamui Senketsu, der noch viel mächtiger ist als eine 3-Sterne Goku Uniform. Zuerst muss sie lernen mit Senketsu umzugehen, der seinerseits ein Bewusstsein hat und mit ihr kommuniziert. So beginnt Ryukos wahnsinniges Abenteuer, das völlig „over the top“ und „crazy“ ist.
Story

Satsukis soziale Ordnung ist erstaunlich intelligent dargestellt. Man kann Honnouji`s Gesellschaft in vier Klassen unterteilen: Die unterste Schicht besteht aus den 0-Sterne Schülern und deren Familien. Sie sind es nicht wert eine Goku Uniform zu tragen und haben keinen Platz in Satsukis Ordnung, da sie zu schwach sind. Als nächstes kommt das Kollektiv der 1-Stern Träger, die das Fussvolk der Schule bilden. Es fällt auf, dass alle 1-Stern Schüler gleich aussehen und den Eindruck erwecken, sie seien Klone. Erst die Clubpräsidenten, also 2-Stern Träger, haben das Recht auf Individualität und werden entsprechend gezeichnet. Sie sind die Unteroffiziere von Satsuki und helfen ihr das System zu leiten. Die privilegiertesten der Honnouji Schule sind die grossen vier, also Satsukis Offiziere und 3-Sterne Träger, die auch am meisten Charakterentwicklung und Tiefe bekommen, abgesehen von den Protagonistinnen und den Ausnahmen, auf die ich gleich eingehe. Zuoberst auf dieser Pyramide, symbolisch dargestellt mit der Treppe bzw. dem Schulgebäude (man beachte die autoritäre Architektur), auf dem Satsuki thront, steht die Führerin und unangefochtene Herrscherin des Systems.
Es gibt eigentlich nur zwei Ausnahmen in dieser, mehr totalitären als autoritären Gesellschaft, und das sind Ryuko, ihre Freundin Mako, deren Familie und die beiden Mitglieder der Rebellengruppe „Nudisten Strand“. Dies sind die einzigen Figuren, die ebenfalls als Individuen dargestellt werden und ausserhalb von Satsukis Ordnung stehen.
Das Grundskelett von Kill la Kill klingt stark nach einem typischen Shonen-Abenteuer. Ryuko ist ein weiblicher Shonen-Protagonist und muss das übliche Shonen-Prozedere durchmachen. Sie stellt sich übermächtigen Gegnern, wird besiegt, erlangt selber neue Stärke, stellt sich noch stärkeren Gegnern, wird wieder besiegt, wird deshalb noch stärker usw., bis sie ihr Endziel in einem spektakulärem Showdown erreicht. Diese Analyse ist durchaus richtig, erwähnt aber nicht die völlig verrückte Inszenierung dieses typischen Plots. Die Macher von Kill la Kill wählen bewusst ein typisches Shonen Setting mit typischen Shonen Figuren, nur damit sie dieses total überdrehen und zum Teil auch parodieren, so dass etwas völlig neues, in Anime (fast) noch nie dagewesenes entsteht: Kill la Kill (Ausnahme: Gurren Lagann). Direktor Hioryuki Imaishi zeigt keine Gnade und greift alle Absurditäten von Anime auf, überdreht sie dermassen spektakulär und macht nicht einmal vor Ecchi halt. Es ist kein Zufall, dass Ryuko eine Sailor Uniform trägt, deren Macht erst durch eine Verwandlungsszene freigesetzt wird. Man fühlt sich zwangsläufig an die Verwandlungsszenen von Sailor Moon erinnert, die gerade jüngere, männliche Teenager damals mit Interesse bestaunt haben. Ja, auch in Kill la Kill ist Ryuko nackt bei der Verwandlung, doch diese wird so pervers und übertrieben inszeniert, dass von Sailor Moons süsser Unschuld nichts mehr übrig ist. Nach der Verwandlung sieht unsere Heldin wie eine billige Stripperin aus, die ihr Geld in einem verkommenen Stripschuppen verdient. Es erinnert nichts mehr an die 14/15 Jährige Schülerin Ryuko. Der Ecchi Gehalt in Kill la Kill ist enorm hoch, aber so übertrieben in Szene gesetzt, dass es klar wird, dass auch er ein Augenzwinkern an die Animebranche als solches ist.

Die völlig übertriebenen Kämpfe, die auf eine absurde Art ein episches Ausmass erreichen, aber auf jegliche Realität pfeifen, sind eine weitere Parodie von Shonen-Animes. Man könnte hier noch unendlich viele Beispiele nennen, doch bei Kill la Kill macht es durchaus Spass diese Parodien und „Easter Eggs“ selber zu finden.
Hier liegt aber auch meine grösste Kritik an Kill la Kill. Wenn man nämlich alle Absurditäten eines Genres, oder von Anime im Allgemeinen, nimmt und diese dermassen überdreht, wird man selber nur noch absurder. Ja das Ecchi in der Show kann man durchaus als Parodie sehen, doch wirft uns Kill la Kill so oft Brüste und Hinterteile entgegen, dass der männliche Körper mit der Zeit eine Immunität dagegen entwickelt. Am Ende ist es nur noch störend und wird so oft verwendet, dass es den Zuschauer eher nervt, als einen Lachkrampf zu provozieren. Erzählt man denselben Joke gefühlte 50 Mal hintereinander, ist er irgendwann auch nicht mehr witzig. Wenigstens ist Imaishi erfrischend konsequent und denkt sich, wenn wir schon weibliche Geschlechtsteile glorifizieren, dann sollten wir, der „political correctness“ wegen, dies auch mit den männlichen Genitalien tun, weshalb er die Untergrund Rebellengruppe „Nudisten Strand“ (Nudist Beach) einführt, die nicht viel für Kleider übrig hat. Trigger und Imaishi haben schon in früheren Arbeiten bewiesen, dass sie auf Brüste stehen, selbst in Gurren Lagann (damals noch bei Gainax) oder Panty and Stocking. In Kill la Kill wollten sie diesen Fetisch als Parodie maskieren, was aber überhaupt nicht gelungen ist.

geschmackloses Ecchi in extremis!
Trotzdem hat Nacktheit bei Kill la Kill einen höheren Sinn, der sich einem erst gegen Schluss eröffnet, denn Nacktheit ist das Gegenteil von Kleidung, was ein wichtiges symbolisches Motiv ist. Tsumugu Kinagase, ein Mitglied von „Nudisten Strand“, hat einen geradezu lächerlich anmutenden Hass gegen Kleider und will Ryukos Kamui vernichten. Dies wirkt zunächst dermassen komisch, dass wir Kinagase als kranken Nudisten abstempeln und in ihm einen missratenen Witz seitens der Produzenten sehen. Doch damit wird man ihm nicht gerecht, denn im Verlauf der Show wird deutlich, dass seine Abneigung gegenüber Kleider nicht aus einem perversen Trieb herrührt, sondern durchaus nachvollziehbar ist.
Gerade die erste Hälfte von Kill la Kill hat mich mit ihren repetitiven, an das Shonen Genre angelegten Episoden, nicht begeistern können. Ja, die Folgen an sich waren so überdreht und spektakulär, dass mir niemals langweilig wurde, aber es fehlte eine Story, die mein Interesse wecken konnte. Die Story der ersten Hälfte der Show (Ryuko will ihren Vater rächen) ist eigentlich nur ein Vorwand, um überdrehte Action zu inszenieren. Zudem gefiel mir der Humor von Kill la Kill überhaupt nicht. Ich musste nur selten lachen, was bei einer solchen Show ein Killerargument ist. Allerdings ist Humor eine persönliche Angelegenheit und schwer zu bewerten, denn es gibt durchaus viele Menschen, die sich am liebsten ins Krankenhaus einliefern möchten, wegen akuten, durch Lachkrämpfe verursachten Magenschmerzen.
Zum Glück wird die Show in der zweiten Hälfte stärker und zeigt, dass die Autoren doch einen Plan hatten. Denn auf einmal macht das ganze Gerede um kraftverleihende Kleider, Lebensfäden und die immer wieder aufgegriffene Kleidersymbolik gepaart mit Nacktheit einen Sinn; Eine Story entsteht. Diese ist, wie nicht anders zu erwarten war, so lächerlich, dass sie wiederum völlig genial wirkt. Kleider kommen ursprünglich aus dem Weltall und sind parasitäre Lebewesen (Lebensfäden), die ihre Träger unterwerfen wollen. Um diese Prämisse herum wird plötzlich eine spannende Geschichte konstruiert, die zwar absurd ist, aber den Zuschauer durchaus bei der Stange halten kann. Dabei werden Plotwendungen eingesetzt, die wiederum absurd, aber doch überraschend sind. Am Ende läuft alles auf eine epische Klimax hin, die es in sich hat: Ryuko verwandelt sich sogar in einen Super- Ecchi-Saiyajin und vermöbelt die ausserirdischen Kleider nach allen Regeln der Kunst. Da kann selbst ich nicht verleugnen, dass dies irgendwie „Awesome“ wirkt. Das Ende ist sogar befriedigend und hat mindestens eine grössere Überraschung parat.
Allerdings demonstriert Kill la Kill hier, dass es eine Show ist, die auf zwei verschiedenen Ebenen funktioniert. Die erste, faktische Ebene präsentiert eine völlig überdrehte, lächerliche Story, die von Menschen und Kleidern handelt und mehr wie ein Vorwand wirkt, um Action und Ecchi zu zeigen. Betrachtet man die Serie auf der zweiten Ebene, erkennt man durchaus eine in sich stimmige und vor allem logische Story, die von der Prämisse her durchaus seltsam ist, aber von den Konsequenzen her Sinn ergibt. Ein Beispiel: Eins plus Eins ergibt zwei. Doch angenommen ich entschliesse mich dazu, dass Eins plus Eins drei ergäbe, wäre dies eine seltsame Prämisse, doch die Mathematik, die ich um sie herum konstruiere, könnte durchaus Sinn ergeben, ich müsste nur ein neues Regelsystem hierfür konzipieren. So ähnlich funktioniert auch Kill la Kill. Zudem hat die Serie auch eine metaphorische Ebene, der man Aussagekraft zusprechen könnte. Wie lässt sich Kill la Kill interpretieren? Nun, Kleider spielen in unserem Leben eine wichtige Rolle, wie auch im Anime. Ryuko und Senketsu reflektieren immer wieder die Frage, ob eine symbiotische Co-Existenz zwischen Menschen und den eigentlich parasitären Kleidern (Lebensfäden), welche die Menschheit unterwerfen und kontrollieren möchten, möglich ist. Also könnte man spekulieren, ob Kill la Kill hier nicht ein reales Problem aufgreift, nämlich die alte Frage, die schon Gottfried Keller in seiner Erzählung „Kleider machen Leute“ behandelt. Lassen wir uns von Kleidern kontrollieren und tragen das, was von der Gesellschaft erwartet wird. Repräsentieren unsere Kleider also ein falsches Bild von uns als Individuum, oder benutzen wir die Kleider, um uns und unsere Persönlichkeit auszudrücken, unabhängig davon, was von unserem sozialen Status erwartet wird? Wem das zu weit hergeholt erscheint, möge doch über die Frage reflektieren, warum ein Mann in jedem Fall als seltsam, unnormal oder sogar homosexuell abgestempelt würde, wenn er mit einem Minirock bekleidet durch ein Einkaufsviertel spazieren würde. Genau, an der ganzen Sache ist mehr dran, als es zu sein scheint, wie bei Kill la Kill. Doch es hört nicht bei dieser Doppeldeutigkeit auf, denn Imaishi und sein Team haben hier eine wahrlich mehrschichtige Geschichte kreiert, die einem deutlichen roten Faden folgt (der Wortwitz wird gleich ersichtlich!). Wer die Show ganz genau betrachtet und auseinander nimmt, merkt, dass die Story sehr viele substantielle Themen behandelt, indem sie eine intelligente Metaphorik und Symbolik verwendet. Die Story dreht sich schliesslich nicht nur um Kleider, sondern um die ausserirdischen (Lebens)Fäden. Drei Frauen stehen mit diesen Fäden in direktem Zusammenhang: Ragyo, Nui und Ryuko. Ragyo ist diejenige, welche die Lebensfäden kontrolliert und durch ihren Zugang zur Quelle (aus Spoilergründen nicht näher benannt) erzeugt. Nui verarbeitet diese Fäden zu Kleidern, ist also die Weberin und Ryuko macht diese Lebensfäden kaputt, indem sie diese mit ihrer Schere zertrennt. Die Symbolik könnte deutlicher kaum sein und spielt auf die drei Schicksalsgöttinen der griechischen Mythologie an: Clotho, die Spinnerin des Schicksalsfadens, Lachesis, die Weberin und Atropos, welche die Fäden mit einer Schere durchtrennt, also das Schicksal der Menschen besiegelt. Auch hier mag man vielleicht Zweifel hegen und vermuten diese Analogie sei rein zufällig, aber das ist sie nicht. Ich möchte die Leserin und den Leser dazu auffordern lediglich das erste Opening von Kill la Kill etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Nach den ersten Sekunden der Eröffnung wird Ryuko als Charakteraufnahme gezeigt, die von einem roten Faden umgeben ist (ich möchte nochmals auf meinen vorherigen, überaus klugen Wortwitz verweisen!). Nach einigen Standbildern von Ryuko wird Gamagori eingeblendet, ebenfalls von demselben Lebensfaden umgeben. Ihm folgen die restlichen der „Grossen Vier“, Mako mit ihrer Familie, die beiden Figuren aus „Nudisten Strand“ und zu Letzt Satsuki, immer noch vom selben Faden umschlungen, wie die vorangehenden Charaktere. Spätestens hier ist die Symbolik unverkennbar: Alle Charaktere sind durch den Schicksalsfaden miteinander verbunden.

Satsuki umgeben vom Schicksalsfaden - erstes Opening
Es erstaunt mich immer wieder auf wie viele Themen Kill la Kill anspielt und dazu noch auf eine clevere Art. Wer denkt dies sei eine Show, die nichts für das Gehirn des Zuschauers zu bieten hat, irrt ungemein. Man kann es sich viel mehr selber aussuchen auf welcher Ebene man den Anime betrachten möchte und sich lieber von der brillanten Action unterhalten lassen oder dann doch versuchen Kill la Kill zu verstehen. Ich selber bin mir mehr als bewusst, dass ich bei weitem nicht alle Anspielungen erkannt habe und bin auch nicht in diesem Review auf die ganze thematische Breite der Show eingegangen. Eins weiss ich aber ganz genau: Ich werde mir Kill la Kill noch einmal anschauen und versuchen mehr von der Story zu fassen. Stoff hierfür bietet sie allemal.
Charaktere
Die spannendsten Charaktere bei Kill la Kill sind dessen Bösewichte. In Tengen Toppa Gurren Lagann demonstriert Imaishi seinen Hang Bösewichte zu kreieren, die eine nachvollziehbare Motivation haben, teilweise sogar sympathisch sind. Wenn man sich diese wichtige Information merkt und die Serie damit im Hinterkopf anschaut, erlebt man sie auf eine ganz andere Art und Weise.

Gamagori, einer der grossen vier und der erste Bösewicht, den wir zu Gesicht bekommen, ist beispielsweise ein Mensch, der nur „böse“ Dinge tut, weil er sich an die Regeln hält, diese durchsetzt und an die Notwenigkeit des Systems glaubt, was per se nicht schlecht ist, denn die meisten Menschen halten sich an Gesetze und glauben an das System, in dem sie leben, ohne es kritisch zu hinterfragen. Doch Gamagori als Charakter ist tatsächlich tiefgründig, denn wir sehen in Folge 8 eine unerwartete Seite an ihm. Es wird klar, dass er vorurteilsfrei auch bereit ist alle Menschen, die in der Ordnung der Honnouji Akademie stehen, zu verteidigen, selbst wenn diese einen Hang dazu haben, die Regeln zu brechen. Schnell wird klar, dass auch Gamagori Gründe für sein Handeln und seine Besessenheit von Ordnung und Disziplin hat, was sich später auch als nachvollziehbar und sogar sympathisch erweist.
Satsukis rechte Hand, Sanageyama, wirkt zunächst überheblich und fordert Ryuko zu einem Kampf heraus. Doch nach seiner Niederlage erscheint er als ein erstaunlicher Charakter, denn anstatt seine Niederlage in Frage zu stellen oder in Selbstzweifel zu versinken, wirft er seinen Stolz weg und neutralisiert seine grösste Stärke, seine Augen, mit dem Hintergedanken dadurch zu wachsen und aus seiner Niederlage zu lernen. Seine Unterwürfigkeit gegenüber Satsuki hat ebenfalls tiefere Ursachen, als man zunächst annimmt, die mit der Zeit aufgeklärt werden.

Satsuki selber ist eine erstaunliche Persönlichkeit, die als despotische, fast schon faschistische (der erste Satz der Serie widmet sich Hitler) Führerin dargestellt wird, doch an ihr ist mehr dran, als auf den ersten Blick scheint. Es wirkt fast so, als ob sie zwei Gesichter hätte. Das eine sehen wir bei ihren öffentlichen Auftritten, an denen sie sich als harte, erbarmungslose und entschlossene Anführerin präsentiert. Das andere kommt in ihren privaten Momenten zum Vorschein. Gerade in den Szenen mit ihrem Butler, Mitsuzo Soroi, zeigt sie sich von ihrer gefühlvollen, sogar verletzlichen Seite. Wir lernen dort eine andere Satsuki kennen und fragen uns zwangsläufig, welches dieser beiden Gesichter die Maske ist. Wir fangen an ihre Motive zu hinterfragen und werden dieses leise Gefühl nicht los, dass sie einen Plan verfolgt, der etwas anderes als die Weltherrschaft beinhaltet.

Die Antithese zu Satsuki ist die wilde, chaotische und völlig undisziplinierte Ryuko, die öfters den Spruch bringt „sinnlos ist genau mein Ding“. Sie ist die Wildcard an der Honnouji Schule und bringt Satsukis Ordnung ganz schön durcheinander in ihrem Streben nach Rache. Sie macht zwar nicht eine grosse Wandlung durch, am Ende ist sie noch immer das hitzköpfige, vorlaute Mädchen, das für einen guten Spruch zu haben ist, sie bildet aber die grosse Konstante der Show. Während sich alle anderen Charaktere zu einem gewissen Grad wandeln, bleibt sie sich weitgehend treu und hat auch kein Problem mit ihrer eigenen Widersprüchlichkeit. Das soll nicht heissen, dass sie von den Ereignissen um sich herum nicht berührt wird, im Gegenteil, sie wird an einer Stelle bis an den Rand der Verzweiflung getrieben, aber sie wächst als Persönlichkeit nicht in dem Masse, wie Satsuki oder Gamagori es tun.
Alle Haupt und Nebencharaktere von Kill la Kill haben es geschafft mich zu überraschen. Als ich sie zum ersten Mal gesehen habe, läuteten alle Stereotypen-Alarmglocken und ich war geneigt sie als solche abzustempeln, doch wie ich falsch lag! Kill la Kill ist eine Show, die mit unseren Vorurteilen spielt und sie bewusst lenkt, bis wir unseren eigenen Fehler entdecken und uns sprachlos über sie wundern.
Es freut mich zu sehen, dass die beiden Protagonistinnen der Show weibliche Figuren sind, die zwar sexuell aufgeladen werden, aber darüber hinaus eine Persönlichkeit besitzen, die mich fasziniert hat. Sowohl Satsuki, als auch Ryuko (und vielleicht sogar Moko) gehören zu den besten, sympathischsten und interessantesten weiblichen Animecharakteren, die es gibt, was auch erklärt warum Kill la Kill ein riesiges weibliches Fandom besitzt, obwohl es den weiblichen Körper enorm sexualisiert.
Animation
Was als erstes Auffällt bei Kill la Kill ist dessen besonderer Zeichenstil und das unvergleichliche Art Design. Kill la Kill sieht nicht wunderschön aus, es hat keine realistischen Landschaftsbilder mit prächtigen Farben, die Charakterzeichnungen sind nicht „schön“ ausgefallen, wie sie es beispielsweise bei einem Studio wie Kyoto Animations sind. Nein, Studio Trigger hat einen eigenen Stil, der sich durch chaotische, bewegungsdominante und intensive Animation auszeichnet. Allerdings versucht man bei Kill la Kill zu sehr an den Stil von Tengen Toppa Gurren Lagann anzuknüpfen, was dem originellen Anspruch der Show widerspricht. Kill la Kill ist Triggers erster, genuin eigener Anime und man wollte damit eine Botschaft an die Animewelt senden, die aussagt, dass Trigger sich nicht um Konventionen schert, mutig und originell ist. Diese Botschaft wäre besser angekommen, wenn man auch einen genuin eigenen Stil gewählt hätte, aber die Ähnlichkeit zu Gurren Lagann lässt sich nicht einfach damit erklären, dass bei beiden Shows dasselbe Personal mitgewirkt hat. Kill la Kill versucht aktiv und bewusst so auszusehen, wie Gurren Lagann, die Ähnlichkeiten sind kein Zufall.
Auf der anderen Seite ist Imaishis Szenerie besonders gut ausgefallen. Die Hintergrundbilder sind oft enorm überladen und halten sogar einige komikhaften Überraschungen Bereit.

Die angesprochene Intensität der Animation lässt sich zudem auf die Schnittart der Show zurückführen. In den Actionszenen aber auch bei den Comedyeinlagen finden wir sehr kurze Szenen vor, die manchmal kaum eine Sekunde dauern und schon von einem komplett anderen Bild abgelöst werden. Dies verleiht der Serie eine Hyperaktivität, die ebenfalls Geschmackssache ist.
Das Charakterdesign überzeugt auf voller Linie und ist erstaunlich abwechslungsreich. Gerade bei Ryuko variiert der Designstil, je nach Szene. In den Actionszenen wird durch Haartracht (auch Haaranimation) und Augenzeichnung eine Entschlossenheit und wilde „Awesomeness“ erzeugt, die Ihresgleichen sucht. Dann sieht Ryuko in den emotionalen Momenten ganz anderes, verletzlich, aber auch süss aus. Denselben durch Variation geprägten Charakterdesign Stil beobachtet man auch bei den Gesichtszeichnungen von Satsuki oder Gamagori.


Böser Blick mit Blush und Shojo Augen - Variables Charakterdesign
Die Animationsqualität der Serie ist sehr hoch, glänzt aber ausschliesslich in den Action Szenen, die rasant, flüssig aber auch speziell animiert sind. Speziell ausgefallen sind sie, weil hier Trigger eine ungewöhnliche Art von 3D CGI Animation verwendet. Typischerweise werden die sich bewegenden Figuren (Charaktere, Mechas, Raumschiffe) in 3D animiert, bei Kill la Kill zeichnet man diese aber digital, animiert die Hintergründe in 3D, was es den Animatoren erlaubt, sich völlig auf die Bewegungen der kämpfenden Figuren zu konzentrieren, ohne den Hintergrund mitanimieren zu müssen, oder ihn gar als statische, sich wiederholende Animation zu verwenden. Trotzdem gibt es auch reichlich Beispiele von Charakter CGI Animation, die aber kaum hervorstich und sich nahtlos in die Szenerie einfügt.

3D CGI Hintergrund Animation
Den einzigen, sehr leichten, Dämpfer stellt man bei den ruhigen Szenen fest, die durch Gesichtsanimationen und Gestikulation geprägt sind. Warum ist dies qualitativ minderwertig? Nun wenn in Animes ein sprechender Charakter gezeigt wird, sieht man typischerweise eine Nahaufnahme des Gesichts, oder einen grösseren Ausschnitt der Figur vor einem statischen, also nicht animierten, Hintergrund, wo alleine der Mund animiert wird. Ansonsten gibt es kaum Bewegung. Dies wird vor allem gemacht, um Zeit und Geld zu sparen, denn je mehr man bewegt, also animiert, desto mehr Zeit braucht man für eine Szene und desto mehr kostet diese letztlich. Da dies aber 99% aller Animes genau so macht, ist dies eine Kritik auf sehr hohem Niveau. In jedem Fall hat Trigger hier ein bedingungsloses Kompliment für die Animationsqualität und den Zeichenstil verdient. Das stark an Tengen Toppa Gurenn Lagann angelehnte Artdesign hat mir, wie schon erwähnt, nicht gefallen.
Sound
Der Soundtrack von Kill la Kill ist eigentlich gut. Er untermalt die Actionszenen gut, hat sogar melodische Themes, wenn es mal gefühlvoller zur Sache geht und beide Openings sind schöne Songs. Man könnte natürlich sagen, dass er als Komposition nicht gross heraussticht und es ihm etwas an Breite fehlt, aber dies ist nicht das wahre Problem, womit der OST zu kämpfen hat. Auf den Punkt gebracht: Er kann nicht mit der verrückten Animation mithalten. Die ganze Show ist so „over the top“ und „crazy“, was auch für die Visualisierung gilt, dass der Soundtrack dagegen ziemlich gewöhnlich und unspektakulär wirkt. Es gibt keine einzige Szene, bei der die Musik einen komischen oder gar überraschenden Effekt (beispielsweise Ironie oder Sarkasmus) herbeiführt. Da verlässt man sich einzig auf das Drehbuch und die Animation. Dies wiegt zwar nicht gravierend, muss aber negativ gewertet werden, da es dem Stil der Serie zuwider läuft.
Fazit 4/5
Egal was man von der Story, den Charakteren oder dem Animationsstil hält, Kill la Kill ist ein Erlebnis. Es kann witzig, absurd, aber auch gefühlvoll sein, dann wieder nervt es mit seinem Ecchi oder ist einfach seltsam, weil der eine oder andere Joke nicht gelingt (Makos Vater und Bruder werden von Ryuko immer wieder als Spanner enttarnt und anschliessend vermöbelt, was ein ziemlich lahmer Gag ist, den ich in so vielen anderen Shows schon gesehen habe).
Die Show fängt wie ein Tornado an und die verrückte Aktion reisst fast jeden Zuschauer mit. Wer Aktion nicht mag, der schaut sich diesen Anime gar nicht erst an. Ob man die erste Hälfte der Show mag, kommt ganz drauf an, wie sehr man von Aktion alleine bei der Stange gehalten werden kann und ob man sich auf den Humor einlassen kann. Gerade letzteres war bei mir immer wieder ein grosses Problem. Kill la Kills Humor besteht aus der Strategie absurde Anime-Elemente, wie Ecchi, Verwandlungsszenen aus dem Magical Girl Genre etc., zu nehmen und diese noch absurder zu verdrehen, um Komik zu erzeugen. Dieses Konzept geht ultimativ nicht auf, denn zum einen wird Kill la Kill dadurch nur selber absurd, zum anderen will es kein reiner Comedy Anime sein, wodurch es notwendig wird, dass auch die Story Substanz bekommt. Allerdings kommt dieser dringend benötigte Gehalt erst in der zweiten Hälfte auf. Ab da wird die Show auch durchgehend besser und mündet in einem spektakulären Ende. Dabei zeigt sich der Plot von einer überraschend tiefgründigen Seite, denn Kill la Kill funktioniert auf mehreren Ebenen. Wenn man nur die erste Ebene betrachtet, erlebt man nur rasante Aktion, absurdes Geplapper über die Beziehung zwischen Kleider und Menschen und ganz viel störende und übertriebene Nacktheit. Erst mit der nächsten Ebene wird klar, dass der Anime mehr ist als das, denn die Story folgt einer inneren Logik, die funktioniert und lässt sich sogar als eine Metapher über die menschliche Oberflächlichkeit verstehen. Erst vor diesem Hintergrund macht die aufgegriffene Nacktheit auch Sinn, trotzdem kann damit das Ecchi nicht entschuldigt werden. Es macht schlicht weg keinen Spass über 24 Folgen lang die ganze Zeit nackte Hinterteile und Brüste entgegengeworfen zu bekommen. Dies ist auch nicht die Funktion eines Animes, denn wenn man sich Befriedigung für gewisse Gelüste verschaffen möchte, gibt es sinnvollere Alternativen.
Die Charakterentwicklung vermochte ebenfalls mich zu verblüffen. Auch wenn die Figuren auf den ersten Blick wie typische Shonen Charaktere aussehen, haben sie eine unerwartete Tiefe an sich, die von der Show erforscht und dargestellt wird. Gerade die Bösewichte sind faszinierende Gestalten und es macht sehr viel Spass darüber nachzudenken, was ihre Handlungsmotive sind. Die Show nimmt sich auch genug Zeit, um alle Charaktere und Nebencharaktere zu porträtieren und verleiht ihnen nicht zuletzt dadurch die nötige Komplexität.
Letztlich muss ich zugeben, dass Kill la Kill eine der Shows ist, die ich in einem Review besser bewerte, als ich sie persönlich empfunden habe. Persönlicher Geschmack darf bei einer objektiven Bewertung nicht zu viel Einfluss gewinnen und Trigger liefert uns einen verdammt guten Anime. Ist es tatsächlich der Anime, der Anime retten wird, wie in der Community oft gesagt wurde und was die festgefahrene Situation der Animeindustrie deutlich beschreibt und die Hoffnung auf neue, innovative Shows zum Ausdruck bringt? Nein. Dafür geht das Konzept nicht auf. Ja, Kill la Kill ist eine Show, die etwas völlig eigenes ist und nichts vergleichbares hat, ausser Tengen Toppa Gurren Lagann, setzt sich aber aus den üblichen Bausteinen von typischen Animes zusammen. Das wirklich originelle ist nur, wie sich die Show über diese Bausteine und somit über die ganze Branche lustig macht. Trigger wollte aber vor allem eines mit dieser Show machen: Sich mit einem Kracher ankündigen und „nach uns die Sintflut“ raus posaunen. Das ist hingegen gelungen. Trigger wird mit Sicherheit eine dringend benötigte Dynamik in die Animeindustrie bringen, die in den letzten Jahren nur dieselben Sujet immer neu wiederkaut und sich somit selber festgefahren hat. Kill la Kill zeigt einen Weg, wie man sich daraus befreien kann und dass die Zuschauerinnen und Zuschauer auch einen Richtungswechsel in der Branche wollen. Hoffentlich lassen sich andere Studios von Kill la Kills Innovation und dessen Mut inspirieren und erkennen, dass Kreativität etwas ist, was konstantes experimentieren bedarf und nur funktioniert, wenn man es wagt mit dem Bekannten und Bewährten zu brechen.
Kill la Kill richtet sich an ältere Teens und aufwärts. Kinder werden den Humor nicht verstehen und der Ecchi Gehalt macht die Show für diese ungeeignet. Gewalt ist zudem im grossen Stil vorhanden. Das Zielpublikum der Show besteht aus Actionliebhabern, die sich nicht an Ecchi stören und verrückten, extrem übertriebenen Humor zu schätzen wissen. Aber auch ZuschauerInnen, die einen tiefgründigen Plot und gute Charakterentwicklung sehen wollen, werden nicht enttäuscht, wenn sie sich auf die Show einlassen und über die Schwächen der ersten Hälfte hinweg sehen können.
Was denkt ihr über Kill la Kill? Top oder Flop?
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